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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 24.06.2003
Aktenzeichen: 2 L 31/03
Rechtsgebiete: GG, LSA-Verf, LSA-KAG
Vorschriften:
GG Art. 3 | |
LSA-Verf § 7 | |
LSA-KAG § 2 |
2. Bindet sich der Satzungsgeber aber durch ein System, so kann er von diesem nicht nach Belieben im Einzelfall abweichen. Eine systemwidrige Abweichung, die nicht durch einen besonderen Grund gerechtfertigt ist, verstößt als "objektive Willkür" gegen den Gleichheitssatz.
3. Eine unzulässige Abweichung liegt vor, wenn der Satzungsgeber für eine Reinigungsklasse auf den Verschmutzungsgrad abstellt, für alle anderen hingegen auf die jeweilige Verkehrsbedeutung der Straße.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 L 31/03
Datum: 24.06.2003
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf § 13 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]), <Streitwert>.
Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung bestehen nicht.
Das Verwaltungsgericht hat den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG nicht rechtsfehlerhaft angewandt. Das Verwaltungsgericht hat weder den Ermessensspielraum bei der Einstufung von Straßen noch den Gestaltungsspielraum des Ortsgesetzgebers unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität durch übertriebene Differenzierungsanforderungen eingeschränkt. Auch den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsatz (BVerwG, Beschl. v. 09.12.1993 - 8 BVerwG NB 5/93 -, KStZ 1994, 152), dass dem Satzungsgeber aus Gründen der Vereinfachung eine pauschalierende Betrachtungsweise dahin zugebilligt werden muss, dass Straßenreinigungsgebühren nicht nach dem Maß der konkreten Verschmutzungsverursachung bemessen werden müssen, hat es beachtet.
Selbst bei einem mit diesem Gestaltungsspielraum zusammenhängenden "Ermessen" kann der Ortsgesetzgeber sich nämlich dadurch binden, dass er bei der Behandlung vergleichbarer Fälle gleichbleibend nach einem System verfährt, und er dann im Einzelfall nicht "nach Belieben" davon abweichen darf, ohne dadurch (objektiv) willkürlich zu handeln und damit gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. zu dieser objektiven Willkür BVerfG, Beschl. v. 07. 05 1953 - 1 BvL 104/52 - BVerfGE 2, 266 [281] und Urteil vom 16. 03.1955 - 2 BvK 1/54 - BVerfGE 4, 144 [155]).
Gibt der Ortsgesetzgeber sich selbst ein System, um den Anforderungen des Art. 3 GG gerecht zu werden, so muss er sich in allen betroffenen Fällen systemgerecht verhalten. Es sei denn, er macht einen sachlichen Grund für die Systemabweichung geltend.
Ein solches System hat die Beklagte hier mit der Einteilung ihrer Straßen in Reinigungsklassen geschaffen.
Nach § 3 Abs. 1 ihrer maßgeblichen Straßenreinigungssatzung differenziert die Beklagte die gegenüber den Grundstückseigentümern erbrachte Reinigungsleistung nach der Verkehrsbelastung, dem Verschmutzungsgrad und der Straßenbreite.
In der Reinigungsklasse IV, in der die Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen sowie die Hauptverkehrstraßen und die touristisch stark genutzten Straßen im Innenstadtbereich zusammengefasst sind, lässt die Beklagte eine sechsmal wöchentliche Grundreinigung und ein wöchentliches Aufsammeln von Papier und Unrat vornehmen. Dies führt zu dem deutlich höchsten Gebührensatz von 19,42 DM in den betroffenen Straßen im Gebührensatzungsgebiet. Aus dem Umstand der häufigen Reinigung muss geschlossen werden, dass die Beklagte bei diesen Straßen offensichtlich in besonderer Weise auf den Verschmutzungsgrad abstellt.
Bei den übrigen Reinigungsklassen orientiert sich die Beklagte hingegen mit ihrem System fast ausschließlich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend im Einzelnen und ausführlich dargelegt hat, an der Verkehrsbedeutung der einzelnen Straßen.
Einen sachlichen Grund für diesen "Systembruch" vermag die Beklagte indes nicht darzulegen. Dies ist derzeit auch nicht zu erwarten, da die Beklagte schon die Systemwidrigkeit ihrer Satzung stets in Abrede stellt.
Der Beklagten obliegt es, ihr System neu zu ordnen; das Gericht kann sich nicht an die Stelle des Ortsgesetzgebers setzen.
Ende der Entscheidung
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